Ein Dorf im italienischen Süden heisst Flüchtlinge willkommen –
und schafft damit Arbeitsplätze und Perspektiven. Das Erfolgsgeheimnis:
Einheimische und Freunde arbeiten stets im Tandem zusammen.

Eigentlich müsste dieser Ort gottverlassen sein. Bergdörfer wie Riace gibt es Dutzende im Süden Kalabriens, Dörfer, deren alte Ortskerne langsam verfallen, in denen immer mehr Häuser leer stehen, während der Putz von den Wänden bröselt, in denen die Schulen, die Apotheke, der Metzger und der Tante-Emma-Laden schon lange zugemacht haben, in denen nur noch ein paar alte Männer an den Café-Tischen auf der Piazza hocken.

Auch in Riace fallen zuerst die alten Männer ins Auge, auf dem runden Platz, hinter dem sich das Dorfzentrum erstreckt, mit ihren sonnengegerbten, zerfurchten Gesichtern. Einfache Joppen haben sie an, Schiebermützen auf dem Kopf, die Gebrechlicheren stützen sich, vornübergebeugt, auf ihren Stock, einige spielen Karten, andere schweigen einander an. Gelegentlich schweifen ihre Blicke über die mitten im Spätsommer erstaunlich grüne Landschaft, über die Feigenkakteen auf den Hügeln, die nur sieben Kilometer vom Meer entfernt sind. Doch die älteren Herrschaften bleiben nicht lange unter sich…

Michael Braun

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